Zum Körperwissen der Sorge-Tragenden um die gesundheitliche Versorgung wohnungsloser Frauen in Hamburg
Abstract
Seit 2022 ist bekannt, dass Hamburg die Hauptstadt der Wohnungslosen ist. Sowohl in der städtischen als auch in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit Wohnungslosigkeit werden sowohl in der Geographie als auch in der Sozialen Arbeit Männer deutlich stärker berücksichtigt als Frauen (vgl. BAG W 2019: 1). Aufgrund einer unzureichenden Berücksichtigung weiblicher Wohnungs- und Obdachlosigkeit bei gleichzeitig stetiger Zunahme an Frauen, die ihre Wohnungen verlieren, fordern Initiativen wie die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosen e.V. eine Weiterentwicklung des Wohnungslosenhilfesystems (vgl. BAG W 2012; BAG W 2019: 1). Einerseits liegt dies an der marginalisierten Stellung von Frauen in der Gesellschaft, andererseits daran, dass es aufgrund der Unsichtbarkeit der betroffenen Frauen häufig nicht als extreme Notsituation im Stadtbild wahrgenommen wird, da die Frauen oft nicht als wohnungslos gelesen werden (vgl. Steinert 1997: 21ff.; BAG W 2019). Unter anderem weil ein großer Anteil der Frauen unter großen Mühen und Anstrengungen durch ein gepflegtes äußerliches Erscheinungsbild dies erfolgreich verdecken können (vgl. BAG W 2019: 1f.). Weitere geschlechtsspezifischen Bewältigungsstrategien sind, dass ein Teil der Frauen entweder früher Hilfen im Fall von Wohnungsnotfallsituationen anfordern (vgl. ebd.). Ein anderer Teil der Frauen umgehen die Situationen der Wohnungs- oder Obdachlosigkeit durch das Eingehen von Zweckpartner:innenschaften, in denen sie oft gegen sexuelle oder andere Dienstleistungen Unterschlupf in der Wohnung des jeweiligen Partners finden (vgl. ebd.). Diese Beziehungen sind oft geprägt von psychischer, physischer und sexueller Gewalt (vgl. ebd.) und werden neben der allgemeinen Situation der Wohnungslosigkeit als Dringlichkeit benannt.
Theoretisch gestützt auf die Körpersoziologie und die feministische Wohlfahrtsstaatskritik haben sich durch Expert:inneninterviews und teilnehmenden Beobachtungen körperliche und leibliche Kategorien gezeigt. Diese wurden genutzt um zu beantworten, wie in Hamburg Sorge für die gesundheitliche Versorgung für eine Gruppe getragen wird, die als nicht sichtbar gilt: Unter anderem geschieht das in Stoffkreisläufen innerhalb der verschiedenen Initiativen, den Sorge-Tragenden und zwischen den Klient:innen. Die Ansprache und Kommunikation verläuft unter den Frauen von Mund zu Mund und wird von Einrichtungen aus vermittelt. Menschen, deren Aufenthaltsstatus ungeklärt ist oder die nicht der deutschen Sprache mächtig sind, fallen durch dieses System. Ihnen wird notgedrungen und mit Hilfe von von Händen und Füßen geholfen. Die Sorge-Tragenden gewähren und erhalten unter körperliche Arbeit, die durch Berührung erfolgt und in prekären Arbeitsbedingungen geschieht, mit Schweiß und Blut, eine Infrastruktur, die Behandlung und Diagnose für die Frauen ermöglicht, aber mit dem Auge nicht sichtbar und nicht hörbar sind und dadurch unter der Hand erfolgen.