Zur Rolle geographischer Bildung in gesellschaftswissenschaftlichen Fächerverbünden

Vortrag
Sitzungstermin
Mittwoch (20. September 2023), 09:00–10:30
Sitzungsraum
SH 0.105
Autor*innen
Florian Johann (Grimmelshausen-Gymnasium Gelnhausen)
Thomas Brühne (Universität Koblenz)
Kurz­be­schreib­ung
Die Rolle geographischer Bildung in gesellschaftswissenschaftlichen Fächerverbünden wurde bislang nicht empirisch untersucht. Ergebnisse einer bundesweiten qualitativen Analyse sämtlicher Lehrpläne liefern erstmalig Hinweise über den darin enthaltenen geographischen Curricularanteil.

Abstract

Seit dem Paradigmenwechsel vom länderkundlichen zum allgemeingeographischen Ansatz zu Beginn der 1970er-Jahre entwickelt sich die Schulgeographie zunehmend zu einem Integrationsfach. Angesichts zunehmender Herausforderungen des 21. Jahrhunderts fördert das Schulfach Geographie gemäß seinem Selbstverständnis im besonderen Maße vernetzendes und systemisches Denken (DGfG 2020) und versteht sich jüngst als Zukunftsfach, in dem Lernenden eine integrative Sichtweise auf die Welt vermittelt werden soll (DGfG 2022).

Nach Einführung des Lernbereichs Gesellschaftslehre im Jahr 1972 koexistieren derzeit in dreizehn deutschen Bundesländern gesellschaftswissenschaftliche Fächerverbünde an verschiedenen allgemeinbildenden Schulformen, die ebenfalls einen mehrperspektivischen Blick auf gesellschaftliche Fragestellungen ermöglichen sollen. In den letzten Jahren hat die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Grundsatzfragen im Bereich gesellschaftswissenschaftlicher Fächerverbünde zugenommen. Trotz 50-jähriger Koexistenz hat sich die Geographiedidaktik bislang – bis auf vereinzelte einseitige fachpolitische Stellungnahmen vom Spezialdiskurs um gesellschaftswissenschaftliche Fächerverbünde abgegrenzt.

Mit Hilfe einer qualitativen Datenanalyse konnte nachgewiesen werden, dass die geographische Perspektive in allen jemals erschienenen Lehrplänen gesellschaftswissenschaftlicher Fächerverbünde berücksichtigt wird (Johann u. Brühne 2021). Mittels einer weiteren qualitativen Datenanalyse wurden die Lehrpläne zusätzlich auf das Vorhandensein curricularer Strukturelemente überprüft. Durch diese Herangehensweise konnten unter anderem mögliche Themen und fachdidaktische Prinzipien ermittelt werden, die auf eine hohe thematische und methodische Schnittmenge mit der Schulgeographie hindeuten. Damit liegen erstmalig empirische Ergebnisse für mögliche konstituierende Elemente gesellschaftswissenschaftlicher Fächerverbünde vor, die vielfältige konzeptionelle Anknüpfungspunkte für die Geographiedidaktik eröffnen. Neben empirischen Ergebnissen und Forschungsperspektiven werden in dem Beitrag auch verschiedene Szenarien einer möglichen interdisziplinären Beteiligung der Geographiedidaktik an einer Fachdidaktik Gesellschaftswissenschaften angeführt, deren Herausbildung sich allmählich im deutschsprachigen Raum abzeichnet.