Ökologische Wende in der Strukturpolitik und Regionalentwicklung

Vortrag
Sitzungstermin
Mittwoch (20. September 2023), 09:00–10:30
Sitzungsraum
HZ 13
Autor*innen
Stefan Gärtner (Westfälische Hochschule)
Kurz­be­schreib­ung
Dass die mit den Strukturbrüchen seit den 1970er Jahre einhergehende Tertiärisierung, teilweise zu einer Verlagerung der ökologischen Belastung (burden shifting) führte, wird im Rahmen einer regionalpolitischen Debatte genauso wenig diskutiert, wie eine ökologische Sinnhaftigkeit bestimmter auf Wachstum setzender Regionalentwicklungspolitiken.

Abstract

Regionalen Strukturwandel zu gestalten (Strukturpolitik) bezog sich in der Vergangenheit vor allem die ökonomische und soziale Transformation. Nachhaltigkeit sollte im Dreiklang von Ökonomie, Ökologie und Sozialem gesehen werden, allerdings werden die Klimaschutzmaßnahmen immer weitreichender werden. Auch kann die ökologische Wende ohne Einbindung der lokalen, umsetzenden Ebene nicht erfolgen. Hinzukommt, dass strukturpolitische Programme begonnen haben sich stärker der ökologischen Herausforderung zu stellen, wie z.B. die Bund-Länder-Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur” (GRW) in ihrer seit Anfang 2023 gültigen Version. Die anstehenden ökologischen Herausforderungen des regionalen Strukturwandels sollen mit Bezug aus die folgenden Perspektiven diskutiert werden.

Aus räumlicher Perspektive ist betrachten, dass strukturpolitische Maßnahmen traditionell darauf gerichtet waren, Regionen mit Wachstumsdefiziten zu entwickeln. Dies bezog sich vor allem auf die Nachindustrialisierung, bei der es einerseits darum ging, gleichwertige Lebensverhältnisse – wie sie grundgesetzlich postuliert sind – herzustellen und andererseits alle Wachstumspotenziale zu nutzen. Vor dem Hintergrund anhaltender Wachstumsschwächen und sich verfestigender Krisenkreisläufe in einigen Räumen, stellt sich die Frage, ob eine überall einheitliche Entwicklung und damit einhergehend zum Beispiel auch eine Reindustrialisierung peripherer Industrieräume möglich und vor dem Hintergrund der ökologischen Herausforderung sinnvoll ist.

Bis Ende 2022 wurden im Rahmen der GRW nur Projekte gefördert, die einen sogenannten Fernabsatz implizierten, also Exporteinkommen im regionalen Sinne in die Region holten. Nicht nur der Zeitgeist einer jungen, kritisch reflektierenden, aufgeklärten Elite kritisiert die Orientierung auf Exportwirtschaft und die Abhängigkeit von den Weltmärkten (Verfügbarkeit von Masken und Schutzausrüstungen), sondern dies ist mittlerweile im gesellschaftlichen und politischen Mainstream angekommen. Das führt aus einer wertschöpfenden Perspektive zu dem Wunsch nach einer regionalen und resilienten Wirtschaft.

Die Wertschöpfung vor Ort zu erhöhen, bezieht sich vor allem auf den Produktions- und weniger auf den Dienstleistungssektor. Allerdings wurde im Rahmen der strukturpolitischen Interventionen in altindustriellen Agglomerationen – aber nicht nur dort – versucht, verstärkt eben nicht mehr auf die Industrie, sondern auf den Aufbau wissensbasierter und kreativer Dienstleistungen zu setzen (sektorale Perspektive). Dies kann nicht nur zu sozialen Verwerfungen (fehlenden Arbeitsplätze für Nicht-Hochqualifizierte) führen, sondern eine solche räumliche Arbeitsteilung ist auch aus ökologischer Perspektive (Burden-Shifting etc.) problematisch.

Aus zeitlicher Perspektive fällt auf, dass Strukturpolitik meistens nachsorgend ist, das heißt erst reagiert, wenn Entwicklungsdefizite bereits festgestellt wurden.