Aktionsräume in der gegenwärtigen Raumforschung: Konzepte, Methoden und Anwendung (2/4)
Abstract der Sitzung
Der Aktionsraum als Konzept erfasst raumzeitliche Standort- und Bewegungsmuster und reicht in seiner Komplexität deutlich über bloße Distanz- und Häufigkeitsindikatoren der Verkehrsgeographie hinaus. Aktionsraumanalysen haben damit das Potential, bei (politikrelevanten) Fragestellungen rund um die vielschichtigen Wechselwirkungen zwischen Menschen und ihrer räumlichen sowie sozialen Umwelt zum Einsatz zu kommen. Hierzu gehören etwa die Exposition gegenüber gesundheitlichen Risiken im Alltag (z.B. Covid, Lärm), die ökologischen Folgen habitualisierter Raumnutzungsmuster oder die Untersuchung gesellschaftlicher Begegnungs- und Konfliktpotenziale. Derartige Forschungsthemen wurden in der „klassischen Aktionsraumforschung“ zwischen den 1970er und 1990er Jahren eher selten behandelt. Von wenigen Ausnahmen abgesehen beschränkte sie sich zu dieser Zeit vielmehr auf eine sozial- und verkehrsgeographisch orientierte Deskription rollentypischen Raumverhaltens („verhaltenshomogene Gruppen“), ohne ihre Arbeitsergebnisse in greifbare Empfehlungen an Planung und Politik überführen zu können.
Auch deswegen waren Aktionsräume in der deutschsprachigen Geographie und Raumforschung lange ein eher wenig beachteter Arbeitsgegenstand. Demgegenüber entwickelte sich im internationalen Kontext seit den 2000er Jahren ein steigendes Interesse an aktionsräumlichen Analysen mit Bezug zu aktuellen politischen und planerischen Herausforderungen. Diese Forschung befasst sich unter anderem mit Aktionsräumen im Kontext von Verkehr, Segregation und Gesundheit. Weiterhin konnten die Methoden zur Untersuchung von Aktionsräumen verfeinert werden (bspw. Tracking-Methoden, Big Data), wodurch der Spielraum für inter- und transdisziplinäre Analysen deutlich erweitert wurde.
An diese Trends anknüpfend möchte diese Sitzung Raum geben für theoretische, methodische und empirische Beiträge, die sich dezidiert auf Aktionsräume richten oder aktionsraumorientierte Forschungsdesigns nutzen. Dabei ist die Sitzung für grundlagen- und anwendungsorientierte Beiträge gleichermaßen offen. Von Interesse sind hierbei etwa folgende Themenkomplexe:
- Ökologische Folgewirkungen aktionsräumlichen Handelns und Gestaltung von Alltagsroutinen unter Gesichtspunkten der Suffizienz
- Heterogenität von Immissionsbelastungen (z.B. Lärm, Luftschadstoffe) und Gesundheitsrisiken (z.B. Covid) in Aktionsräumen
- Aktionsräumliche Segregation und ihre Implikationen für soziale Teilhabe und gesellschaftlichen Zusammenhalt
- Aktionsräume im Lebensverlauf und zeitgeographische Perspektiven
- Wechselwirkung und Spannungsfeld zwischen Aktionsräumen im physischen und virtuellen Raum
- Innovative Methoden zur Erhebung und anschaulichen Aus-/Verwertung aktionsraumbezogener Daten
- Ansätze zur stärkeren Verankerung von Aktionsraumanalysen in das Methodenrepertoire und die Strategieentwicklung von evidenzbasierter Verkehrs- und Raumpolitik sowie von Planung
- Datenschutzrechtliche Aspekte im Umgang mit aktionsraumbezogenen Forschungsdaten