Digitale Plattformen und die Reorganisation (globaler) Wertketten aus räumlicher Perspektive (1/2)
Abstract der Sitzung
Digitale Plattformen bestimmen zunehmend die Art und Weise, wie wirtschaftliche Aktivitäten organisiert werden (Kenney & Zysman, 2020; Rahman & Thelen, 2019). Durch soziale Netzwerke, Suchmaschinen, Vergleichs- und Bewertungsportale, App-Stores, Sharing-Plattformen und Online-Marktplätze verändern und beeinflussen sie wirtschaftliche sowie soziale Prozesse (Graham, 2020). Bekannte Beispiele wie Amazon, Google, Uber und Co. haben gezeigt, dass sich Plattformen oft zu dominanten Akteuren entwickeln und damit gravierende Veränderungen für gesamte Branchen einhergehen können. Sie bauen dabei auf bestehenden Machtverhältnissen auf und reproduzieren sie, schaffen aber auch neue Hierarchien und Ungleichheiten (Barns, 2019; Graham, 2020).
Auch in der Humangeographie findet eine Diskussion darüber statt, wie Plattformen zu konzeptualisieren sind und welche Veränderungen für wirtschaftliche und soziale Praktiken sowie für räumliche Zusammenhänge mit ihnen einhergehen. Der Schwerpunkt bisheriger Arbeiten liegt auf Gig-Work-Plattformen, die im Business-to-Consumer (B2C) Bereich tätig sind (u.a. Culpepper & Thelen, 2019). Hingegen gibt es kaum empirische und konzeptionelle Erkenntnisse über digitale Plattformen im Business-to-Business Bereich (B2B). Weiterhin wurden die Auswirkungen von B2C und B2B Plattformen auf lokale, regionale und globale Wertketten bislang nur wenig untersucht (Grabher & van Tuijl, 2020). Dabei weisen erste Studien darauf hin, dass sowohl B2C als auch B2B Plattformen durch ihre Aktivitäten einerseits neue Wertketten und -netzwerke hervorbringen und koordinieren sowie andererseits die Strukturen und (Arbeits‑)Organisation bestehender Wertketten verändern (Howson et al., 2021; Meil & Akgüc, 2021; Yang, 2022). Vor diesem Hintergrund sollen in dieser Sitzung Forschungsarbeiten präsentiert werden, die den Zusammenhang zwischen digitalen Plattformen und (globalen) Wertketten aus räumlicher Perspektive beleuchten. Neben empirischen Fallbeispielen sind auch theoretische Beiträge zur Weiterentwicklung der Global Production Network (GPN) und Global Value Chain (GVC) Ansätze willkommen. Wir laden insbesondere (aber nicht ausschließlich) Beiträge ein, die sich kritisch mit den folgenden Fragestellungen auseinandersetzen:
- Wie verändern digitale Plattformen Governance- und Machtstrukturen in bestehenden Wertketten (z.B. in Einzelhandel, Logistik und Industrie)?
- Wie verändern digitale Plattformen Arbeitsorganisation und -beziehungen in bestehenden Wertketten?
- Wie verändern digitale Plattformen die räumliche Organisation und Einbettung von lokalen, regionalen oder globalen Wertketten?
- Wie können uns die analytischen Instrumente des GVC und GPN-Ansatzes dabei helfen, die Wertketten und -netzwerke von digitalen B2B und B2C Plattformen konzeptionell zu erfassen?