(Neu-)Bestimmungen von Formen staatlicher und nicht-staatlicher Souveränität
Abstract der Sitzung
Staatliche Souveränität ist ein Grundpfeiler des internationalen Systems, indem sie das staatliche Gewaltmonopol extern - gegenüber anderen Staaten - abgrenzt, und andererseits intern - auf das nationalstaatliche Territorium bezogen - definiert. Gleichzeitig wird staatliche Souveränität sowohl im internationalen als auch im nationalen Raum stetig neu verhandelt oder umkämpft. Während Nationalstaaten Teile ihrer Souveränität an supranationale Organisationen delegieren, wird das staatliche Gewaltmonopol auch von innen heraus hinterfragt oder umgangen, wie in Situationen von bewaffneten Konflikten, Drogen- oder Bürgerkriegen deutlich wird. Besonders die Corona-Pandemiemaßnahmen machten staatliche Souveränität sichtbar, zeigten aber auch deren Brüche vor dem Hintergrund parlamentarischer Demokratie und Legitimationsfragen. Es wurde deutlich, dass staatliche Souveränität nicht nur in so genannten „fragilen“ Staaten angefochten wird. So gibt es auch in europäischen Ländern zahlreiche Beispiele, die das staatliche Gewaltmonopol aktiv herausfordern oder untergraben. Dazu gehören nicht nur kriminelle Gruppen, deren Mitglieder scheinbar als „nicht-staatliche Souveräne“ Stadtviertel kontrollieren, sondern auch Bewegungen wie die Reichsbürger, die staatliche Institutionen (wie Pässe) nachahmen. Aber auch soziale Protestbewegungen wie die Klima- oder Anti-Atombewegung stellen die Legitimität staatlicher Gewalt in Frage und konstruieren im Sinne einer präfigurativen Politik neue Räume mit alternativen oder modifizierten Herrschaftsstrukturen.
Ziel dieser Sitzung ist es vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen die sich verändernden Strukturen, Durchsetzungsformen und Legitimationsmechanismen staatlicher und nicht-staatlicher Souveränität zu hinterfragen. Wir laden Beiträge ein, die sich mit diesen (oder anderen) Fragen beschäftigen:
- Wie, von wem, und auf welchen Ebenen wird staatliche Souveränität etabliert und herausgefordert, insbesondere in Ländern des sogenannten Globalen Nordens?
- Welche Formen nicht-staatlicher Souveränität gibt es insbesondere in europäischen Ländern? Wie, von wem und in welchen Beziehungen zu Formen staatlicher Souveränität werden diese generiert?
- Welche Machtverhältnisse kennzeichnen die aktuellen Formen von staatlicher und nicht-staatlicher Souveränität?
- Welche konzeptionellen Ansätze (wie beispielsweise „non-state sovereigns“, Ausnahmezustand, „hybrid governance“, „bare life“ u.a.) helfen uns, die aktuellen Formen von Souveränität zu begreifen und zu analysieren?
- Welche Zwischenräume gibt es, in denen das staatliche Gewaltmonopol gar nicht oder nur teilweise durchsetzt wird? Wie werden diese erschaffen und verteidigt?
- Welche Rollen spielen unterschiedliche Raumformen zur Organisation und Durchsetzung von staatlicher und nicht-staatlicher Souveränität?
Wir laden Beiträge ein, die sich sowohl empirisch als auch konzeptionell mit den genannten Themen beschäftigen.