Mobilität von Kindern: Stand der Forschung
Abstract der Sitzung
Die Mobilität von Kindern hat sich in den vergangenen Jahrzehnten fundamental verändert. Dabei sticht die Verlagerung von Wegen zu Fuß und mit dem Rad (“aktive Mobilität”) hin zum Mitfahren im Pkw sowie der damit verbundene Rückgang der selbstständigen Mobilität von Kindern hervor. Dieser Trend geht einher mit längeren Wegen, induziert durch freie Schulwahl, knappe Kinderbetreuungsplätze, Spezialisierung von Freizeitinteressen und außerschulische Bildung sowie spezialisiertere Schwerpunktbildungen in der Sekundarstufe.Gleichzeitig haben sich die häuslichen und außerhäuslichen Aktivitätsmuster von Kindern stark verändert. Allgemein ist auch noch nicht klar, wie sich die Coronapandemie auf die Veränderungen der kindlichen Mobilität längerfristig auswirken wird.
Der Verlust an selbstständiger Mobilität und autonomem Erkunden des öffentlichen Raums ist verbunden mit einer Reihe von besorgniserregenden Entwicklungen. Dazu gehören gesundheitliche Probleme der Kinder (Fettleibigkeit, motorische Defizite), Verzögerungen ihrer kognitiven Entwicklung, eingeschränkte Orientierungsfähigkeit, negative ökologische, soziale und finanzielle Wirkungen der Pkw-Nutzung sowie Probleme der Verkehrssicherheit vor den Schulen durch “Eltern-Taxis”.
Derartige Entwicklungen erfordern ein vertieftes Verständnis der Wechselwirkungen zwischen Kindern und ihrem sozialen und räumlichen Umfeld. Dementsprechend erfährt die Mobilität von Kindern in der internationalen (geographischen) Mobilitätsforschung zunehmendes Interesse, und auch in Deutschland ist das Thema in Forschung und Praxis “angekommen”. Wir suchen theoretisch, methodisch und empirisch orientierte Beiträge u.a. zu folgenden Fragen:
Wie stellen sich die Mobilität und die Aktivitätsmuster von Kindern unterschiedlicher Altersgruppen in verschiedenen räumlichen und sozioökonomischen Kontexten dar?
Welche Elemente der verkehrlichen, gebauten und sozialen Umwelt fördern bzw. hemmen die selbstständige und/oder nicht-motorisierte Mobilität von Kindern?
Wie erleben Kinder ihre Wege und Umwelt – und wie erleben Eltern die Wege und Umwelt ihrer Kinder?
Wie lässt sich der Einfluss von Sozialisationsprozessen in der Mobilität besser verstehen?
Welche Auswirkungen hat kindliche Mobilität auf die Mobilität im späteren Lebenslauf?
Welche Potenziale haben qualitative, quantitative und mixed-method-Untersuchungen im Kontext kindlicher Mobilität, und wo liegen die Grenzen der jeweiligen Methoden?
Welche Folgen hat die Coronapandemie für die Mobilität und Aktivitätsmuster von Kindern?
Welche Auswirkungen haben stadt- und verkehrsplanerische Maßnahmen auf die Mobilität der Kinder?
Welche (geographie‑)didaktischen Perspektiven bieten sich für die Mobilitätsbildung von Kindern an?
Willkommen ist das gesamte theoretische und methodologische Spektrum von sinnrekonstruktiven, konstruktivistischen, qualitativen, handlungstheoretischen bis zu kausalstatistischen, erklärenden und verhaltenstheoretischen Ansätzen.