Religion(sgeographie) und die ökologische Frage (2/2)
Abstract der Sitzung
Das Handeln des Menschen prägt unseren Planeten in einem bisher nicht gekannten Maße. Eine scheinbar irreversible und gleichzeitig risikobehaftete Globalisierung, die anthropogene Klimakrise, geopolitisches Handeln, aber auch raumformende Faktoren wie die fortschreitende Urbanisierung menschlicher Habitate benötigen neue wissenschaftliche und praktische Konzepte, um daraus entstehende raum- und gesellschaftsbezogene Phänomene analysieren zu können. Der epochale Begriff des Anthropozän versucht, diesen neuen Dimensionen von Mensch-Umwelt-Beziehungen mit der nötigen Tragweite zu begegnen. Als integratives Konzept vereinen sich hier gesellschaftliche und naturwissenschaftliche Faktoren.
Ein aus unserer Sicht entscheidender Faktor findet dabei jedoch wenig Beachtung, nämlich der der religiösen, spirituellen und kosmologischen Vorstellungen, und der Einstellungen der handelnden Menschen. Dabei ist diese Ebene menschlichen Seins, welche aus wissenschaftlicher Perspektive oftmals im Bereich des Vordiskursiven, der Vormoderne oder der Irrationalität verortet wird, von praktischer Bedeutung für die Sinnhaftigkeit und Nachvollziehbarkeit großer Teile menschlichen Handelns. Das Religiöse bzw. Spirituelle ist dabei ein Bereich menschlicher Ratio, der de facto in viele soziale, politische, ökologische und ökonomische Konflikten eingewoben ist.
Die Teildisziplin der Religionsgeographie kann hier aufbauend auf ihrer langen Verankerung in der Geographie und ihrem Blick auf Identität und Intersubjektivität von Gemeinschaft und Gesellschaft, sowie der Analyse und Diskussion der unmittelbaren Ontologie von Mensch-Umwelt-Beziehungen einen entscheidenden Beitrag liefern. Die Session nimmt sich daher dem Thema der Religion und der ökologischen Fragen an und setzt sich mit eben jenen Sinnstrukturen menschlichen Seins auseinander, welche das handelnde Subjekt in seiner intersubjektiven Einbettung mit Fragen der Konvergenz und Divergenz der jeweiligen Handlungen mit dem eigenen und geteilten Verständnis von (Um‑)welt konfrontiert.
Die ökologische Frage impliziert hierbei das Ringen um Glaube an und Beweis von gesellschaftlichen Zukünften, um anthropogene Potentiale von deren Gestaltbarkeit und um (die Reaktion auf) die mutmaßliche Endlichkeit menschlichen Seins. Eine geographische Analyse und Intervention muss auch auf der Ebene von Kosmologien, Religion und Spiritualität stattfinden.
Wir rufen hiermit zu Beiträgen auf, die im weiteren Sinne diese religionsgeographischen Perspektiven in empirischer und konzeptioneller Perspektive fokussieren.