(Über-)Leben sicherstellen: Kritische Perspektiven auf den politischen Umgang mit bedrohlicher Zukunft

Fachsitzung
Sitzungs-ID
FS-472
Termin
Freitag (22. September 2023), 11:00–12:30
Raum
HZ 10
Sitzungsleitung
Henning Füller (Humboldt-Universität zu Berlin)
Iris Dzudzek (Universität Münster)
Kurz­be­schreib­ung
Die wissenschaftliche Feststellung planetarer Grenzen verändert den Charakter des Politischen: Früherkennung, Resilienz und Preparedness sollen das Unvermeidbare abwenden. Welche Machteffekte und Raumstrategien kennzeichnen diese Politiken des Überlebens in kritischen Zeiten?
Henning Füller (Humboldt-Universität zu Berlin)
Iris Dzudzek (Universität Münster)
(Über-)Leben politisch gestalten: Debatten und Begriffe

Abstract der Sitzung

Die naturwissenschaftliche Erkenntnis einer bevorstehenden Erschöpfung planetaren Grenzen hat auch das gesellschaftliche Verhältnis zur Zukunft entscheidend verändert. Die Erwartung an Entwicklung, Fortschritt und damit die Bewegung der Gesellschaft in Richtung Zukunft war nachgerade das Kennzeichen der Moderne und entsprechend lange vorherrschend. Heute erscheint diese Bewegung aber umgekehrt: Eine auf unterschiedliche Weise bedrohliche Zukunft bewegt sich scheinbar unvermeidlich auf uns zu.

In einer Reihe von Feldern (Gesundheitspolitiken, Landnutzung, Klimaanpassung, Stadtpolitik, Migration, Arbeit etc.) lassen sich derzeit Verfahren und Techniken der Abwehr unerwünschter Zukünfte beobachten, etwa durch den Einsatz von datenbasierter Mustererkennung (Früherkennung) oder das Management von Migration. Diese Veränderungen von Steuerungstechnologien und Logiken werden unter Schlagworten wie Resilienz, kybernetische Steuerung, Preparedness, Früherkennung, algorithmische Entscheidungshilfen, Emergenz, Postpolitik und Biosicherheit diskutiert. Bemerkenswert ist dabei auch die häufige Verschränkung bedrohlicher Zukunft mit Aspekten des Menschen als Gattungswesen (Biopolitik).

In der Sitzung interessieren uns aktuelle politische Bewältigungsversuche der Sicherstellung des Überlebens in kritischen Zeiten. Wir wollen dazu anregen, Machtwirkungen solcher Umgangsweisen in den Blick zu nehmen. Also die Verfahren und Techniken und deren Einfluss auf den Rahmen des Möglichen. Hierbei geht einerseits um die Ausblendungen und Begrenzung, welche die Übersetzung aktueller Krisen in das Muster „Abwehr unvermeidlicher Zukunft“ und in verbundene Steuerungsweisen mit sich bringt. Anderseits geht es auch um „alternative Zukünfte“ jenseits eines Rückkehrs zu einem status quo wie sie vor allem von der feministischen Geographie entworfen werden.

Durch die Zusammenschau unterschiedlicher Fallbeispiele wollen wir sowohl aktuelle Ausprägungen im Detail betrachten, als auch übergreifende Logiken und generelle Machteffekte diskutieren. Wir freuen uns daher auf Einreichungen zu verschiedenen Gegenstandsbereichen und zu möglichst unterschiedlichen Kontexten und Skalen, in denen sich derzeit eine Verschiebung politischer Rationalität auf die Sicherstellung des Überlebens feststellen und hinterfragen lässt.